Dieser Satz ist eine implizite Aufforderung: Lächele! Sie kann von einem Bekannten kommen oder einem Fremden, vom Arbeitskollegen oder der eigenen Mutter. Der Äußernde geht gar nicht davon aus, dass die Angesprochene keinen Grund haben könnte zu lächeln, oder vielleicht einfach nicht lächeln möchte. Sehr wohl versteckt sich darin aber die Annahme, dass die Frau ein Interesse daran haben sollte (vielleicht sogar eine Verpflichtung) zu gefallen – und dass es sich lohne, dafür etwas zu tun, was ihr sonst nicht in den Sinn käme.
Jetzt schreien wieder alle! Ist doch nicht Schlimmes dabei. Jeder will doch gefallen. Die Frau macht das doch freiwillig, es zwingt sie ja niemand. Männer wollen ihren Frauen doch auch gefallen. Richtig, richtig. Dem ist schon so. Nur… wie stellt man das an?
Liebe Leserin, wie oft hast Du einem Mann gesagt, er solle doch mal lächeln? Lieber Leser, wie oft hast Du gehört, Du sollest doch mal freundlicher schauen. Wie oft hört ein Mann, der sich regelmäßig wäscht und seine Kleidung wechselt, er sei sicherlich beliebter, gäbe er mehr auf sein Äußeres acht?
Darf die das eigentlich?
Man könnte glauben, das einzige Gefährliche sei heutzutage die eigene Meinung. Wir sind alle individuell, wir sind alle gleich unterschiedlich, alles ist erlaubt – oder? Deshalb sind wir auch nur vor uns selbst verantwortlich, deshalb brauchen wir keine Solidarität, deshalb haben wir selbst Schuld, wenn es nicht so läuft – oder? Deine Komplexe sind dein Problem.
Deine Komplexe sind dein Problem? Nun, ich mache meine jetzt zu Eurem. Jedes Schreiben ist subjektiv, aber das verbirgt sich allzu oft hinter Fakten und Zahlen und traut sich nicht das ‘ich’ zu verwenden. Gerade Frauen haben dabei zurecht Angst, denn wenn sie ihr Empfinden nicht mit der großen Wissenschaft untermauern können, bleibt es im Bereich dessen, was seit jeher die Sphäre des Weibes ist: Das Subjektive, das Emotionale. Und braucht von daher nicht ernstgenommen zu werden.
Einwürfe: Vielleicht geht das auch nur dir so? Vielleicht fühlst du dich da persönlich angegriffen? Vielleicht ist das jetzt auch nur dein subjektives Empfinden? Vielleicht hast du ein Problem damit?
Ja. Ja! Ja, und nochmals ja.
Ja, es geht mir so; wie es anderen geht werde ich nicht erfahren, wenn ich mich nicht äußere – Es gibt bei vielen ein Bedürfnis, nicht anfangen zu müssen.
Ja, ich fühle mich persönlich angegriffen, denn wie greift man jemanden unpersönlich an?
Ja, mein Empfinden ist subjektiv – basiert deins auf der Gaußschen Normalverteilung?
Ja, ich habe ein Problem damit. Deshalb schreibe ich.
Wir sind so angreifbar, wenn wir persönlich werden. Unsere Ideen sind so ungreifbar, wenn sie persönlich sind. Doch hier und heute soll es gehen um
Aussehen, Ansehen und der weibliche Körper
Und das ist zwangsläufig persönlich, denn ich habe einen Körper, nur diesen einen, und der ist weiblich. Ich weiß also, wovon ich spreche, und kann doch nicht behaupten, für alle Inhaber weiblicher Körper zu stehen. Trotzdem möchte ich meine Sicht auf die Dinge nicht unerwähnt lassen, denn immer wieder höre ich die Frage: ‘Warum machen sich Frauen so viele Gedanken um ihr Gewicht und ihr Aussehen?’ Und ich möchte immer mit einer Gegenfrage antworten: ‘Warum, machst Du dir so wenig darum?’
Aber das wäre falsch, denn Männer machen sich ständig Gedanken um unser Aussehen: ‘Wie sieht sie wohl nackt aus? Wie sieht sie aus, wenn sie Sex hat? Sieht sie so aus, als würde sie mit mir Sex haben wollen? Würde ich mit ihr Sex haben wollen?’ – Das ist erst einmal nichts Schlimmes, das ist Testosteron. Was diese Männer, die mich das fragen, meinen, ist: ‘Warum machen sich Frauen so viele Gedanken um ihr Aussehen in meiner Gegenwart?’ – Frauen machen sich auch ständig Gedanken um das Aussehen anderer Frauen: ‘Ist sie schlanker als ich? Ist sie hübscher als ich? Besser angezogen? Erfolgreicher, glücklicher, dünner, dünner, dünner?’ Und dann gehen sie zu ihrem Mann und fragen: ‘Schatz, habe ich einen dicken Hintern?’
The Male Gaze und andere Krücken
In der Analyse visueller Texte (Bild, Film, etc.) beschreibt ‘Der Blick’ (the gaze, oder: le regard), wie der Betrachter die im Bild dargestellten Personen sieht. Der Begriff wurde zuerst in den 1960ern u.a. von Michel Foucault und Jacques Lacan verwendet, um Machtverhältnisse in gesellschaftlichen Institutionen zu verdeutlichen. In der feministischen Theorie übertrug Laura Mulvey den Terminus dann als ‘the male gaze’ auf die Machtbeziehungen zwischen den Geschlechtern. [Nach Wikipedia: The Gaze]
Charakteristisch für the male gaze ist es, dass der Betrachter durch die Art der Darstellung in die Position eines heterosexuellen Mannes gezwungen wird.
Die Kamera folgt den Kurven des weiblichen Körpers, sie seziert ihn; die Frau posiert für einen Betrachter, der sich außerhalb des Bildes befindet, also uns, oder für einen Mann im Bild, der stellvertretend für uns agiert.
Die Kamera folgt den Kurven des weiblichen Körpers, sie seziert ihn; die Frau posiert für einen Betrachter, der sich außerhalb des Bildes befindet, also uns, oder für einen Mann im Bild, der stellvertretend für uns agiert.
In diesem Bild zum Beispiel ist es die Aufgabe der Frau, betrachtet zu werden: Nicht nur wird sie von einem Mann gefilmt, der unsere Perspektive teilt, und hundertfach über die Fernseher auf uns zurückgeworfen, sie posiert für diesen Betrachter ohne weitere Erklärung. Ihr Daseinszweck ist die Pose; sie wird in gewisser Weise zum Objekt. In der Grammatik des Bildes als Text ist die Frau das Patiens. Dem Betrachter lässt dies nur eine Wahl: Er kann sich nur mit dem Mann (dem intra-diegetischen Betrachter) identifizieren, denn die Frau ist keine Person mehr, erfüllt keine Aufgabe, existiert nicht außerhalb des Blicks des Beobachters.
Die zwei Bilder hier sind Beispiele für den Direkten Blick (das Subjekt will, dass es beobachtet wird) und den Indirekten Blick (das Subjekt weiß nicht, dass es beobachtet wird). Diese Situation hat wiederum Auswirkungen auf die Machtbeziehungen, die durch die im Bildnarrative (also die im Bild erzählte Geschichte) kommuniziert werden.
All diese Überlegungen sind wichtig, denn die Repräsentation von Frauen als Objekt (zumeist, wie auch hier, als sexuelles Objekt) begegnet uns tagein, tagaus – es wäre naiv anzunehmen, dass dies keinen Einfluss auf unsere Wahrnehmung hat.
"From the moment we are a pretty little girl in a cute dress, and our brother is a big, strong boy who is smart, we learn what society expects from us. We internalize the message that as women, we are defined by our looks, not by our actions, character, or brainpower. These messages surround us in the media, in our communities, and sometimes in our own homes." [Our Bodies, Ourselves]
Wenn man also wissen möchte, warum Frauen soviel Wert auf ihr Aussehen legen, sollte man sich zuerst folgende Fragen stellen: Wie sehen Männer Frauen? Wie sehen Frauen sich selbst? Wie sehen Frauen andere Frauen?
Wie sehen Männer Frauen?
Wie sehen Männer Frauen?
Zugegeben, ich kann nicht sagen, wie Männer Frauen sehen. Sicherlich gibt es da von Individuum zu Individuum Unterschiede in Vorlieben, Einstellungen und Ausdrucksform dieser Präferenzen. Was ich als Frau aber sehen kann, ist, wie ich sehen soll, dass Männer Frauen sehen (wollen). Denn selbst wenn die mediale Repräsentation von Frauen nicht den Vorlieben der Männer in meinem Umfeld entspricht, so muss ich (in Ermangelung der männlichen Perspektive) doch davon ausgehen. Es folgt:
Es kommt sehr wohl aufs Aussehen an – das lernt man als Mädchen schon sehr früh: Durch Komplimente ('Du bist aber eine Hübsche.'), Kommentare ('Was hat die denn für einen fetten Arsch?') und auch die Massenmedien. Dein Wert, sagt all dies, besteht in deiner Äußerlichkeit; deine Aufgabe, fügt man hinzu, ist dich zu präsentieren. Und das tun wir.
Unsere Kultur suggeriert Männern von Kleinauf, dass Frauen zum Anschauen da sind; Frauen lernen nicht nur das, sie lernen auch, dass angeschaut werden etwas Erstrebenswertes ist. Ich sage anschauen, nicht zuschauen, denn zuschauen impliziert eine Tätigkeit – ein Beobachten bei und nicht von etwas. Wenn es aber nur um das Beobachten an sich geht, dann werde ich selbst zu diesem Etwas. Von den Empfehlungen, die Ehe doch durch Striptease am Küchentisch zu retten, über die Glücksradfee, die auf Geheiß des (männlichen?) Moderators im kurzen Kleidchen Buchstaben umdreht, bis hin zu Frau Merkel, deren Schlagzeilenwert lange ihre Frisur war: Männer sehen in Frauen einen Frauenkörper. (Einen Frauenkörper, d.h. eine One-size-fits-all-Schablone, denn wenn ich mich recht erinnere, wurde Frau Merkel, sobald sie Bundeskanzlerin war und Hosenanzüge trug (Warum wohl?), ihre 'Weiblichkeit' kurzerhand abgesprochen. Das Agens ist nie feminin.)
Wir müssen gefallen, denn sonst sind wir unsichtbar.
Und – ist das so? Meine beschränkte Sicht soll hier natürlich nicht allein stehen, deshalb möchte ich hier wenigstens eine Studie zitieren:
"A central tenet of objectification theory is that women are the main targets of sociocultural pressure to attain an idealized body, and a primary source of such perceived pressure is evaluation by men. Accordingly, we found that men objectify women more than they objectify other men. In addition, and also consistent with objectification theory, we found that men objectify women more than women objectify other women, and men are objectified to a much lesser degree by both women and other men. [...] We argued that because women are the targets of objectification, often by men, they are encouraged to believe that it is important that women must look good in order to be valued. [...] Taken together, our findings are consistent with the central tenets of objectification theory. That is, as a consequence of constant perceived evaluation by men and the persistent promotion of images of idealized bodies within the media, women are encouraged to internalize a prevailing sociocultural view that appearance – certainly women's appearance – is inordinately important." [Strelan/Hargreaves]
Kurz zusammengefasst: Frauen nehmen war, dass ihr Aussehen ständiger Beobachtung und Bewertung unterliegt – und (zumindest in dieser Studie) ist das auch tatsächlich so. Und konsequenterweise ziehen Frauen daraus den Schluss: Die äußere Erscheinung ist disproportional wichtig.
Weiter in Teil 3. Bildquelle.
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