Jedenfalls habe ich, nach einem gestrigen Anwaltsschreiben zufolge, die Wohnung bis Ende des Monats zu räumen, ansonsten werde man gegen mich Klage einreichen und mich 'polizeilich melden'. Das hat den Vorteil, dass ich dann wenigstens irgendwo gemeldet bin, denn wie ich ja dieses Frühjahr feststellen durfte, wird man in Deutschland neuerdings auch mal spontan behördlich obdachlos, wenn es dem Vermieter dünkt, falsche Auskünfte zu machen.
Selbigem Vermieter, dem alten Hausbesitzer, übrigens schulden wir angeblich Miete – für eine nie angefochtene und jahrelang akzeptierte sowie gut begründete Mietkürzung, die die neuen Besitzer jetzt als Grund für eine fristlose Kündigung (sprich: Weniger als 14 Tage Räumungsfrist) nehmen, im selben Zug die ausstehende Miete nachfordern und pro Tag 0.45 Euro Zinsen sowie ihre Anwaltskosten gleich mit obenauf schlagen. Geschäftstüchtige Bürschlein, nicht wahr?
Ich bin zwar kein Experte in diesen Dingen, aber ich möchte da etwas klarstellen. Ich habe keinen Vertrag mit Ihnen. Ich bin Untermieter – was übrigens gesetzlich und in unserem Mietvertrag völlig rechtens ist – und habe deshalb noch nicht einmal Einfluss auf eventuelle Mietkürzungen Ihres Vertragspartners, meines Vermieters. All dies wird Ihnen Ihr ebenfalls sehr geschäftstüchtiger, aber leicht schräger und blutjunger Anwalt auf genauere Nachfrage sicherlich bestätigen, nachdem Sie ihm die Sporen gegeben haben, die er verdient.
Abgesehen davon habe ich kein Geld und keine Zeit, jetzt auf hauruck diese Bude zu räumen, werde Ihnen also weiterhin brav Miete zahlen (für den Wasserschaden und den Baulärm Ihrer wochenendlichen und abendlichen Schwarzarbeiter hätten Sie allerdings eine weitere Mietminderung verdient – aber da habe ich, wie gesagt, keinen Einfluss darauf) und ganz planmäßig ausziehen, nachdem ich meine Prüfungen abgelegt habe. Denn vollkommen unbehördlich und real obdachlos wollte ich nicht werden. Die Waldschlößchenbrücke ist ja noch nicht gebaut, da wüsste ich auch gar nicht, wo ich dann bleiben sollte. Sie glauben doch nicht, dass ich unter die Augustusbrücke ziehe, das olle Ding ist doch voll Touristen am Samstag!
Ansonsten rate ich Ihnen davon ab, ein Haus von jemandem zu erwerben, für das Dritte einen unbefristeten Mietvertrag besitzen – wenn Sie das doch tun, müssen Sie halt bis zum gesetzlichen Termin der Kündigung warten... Das Leben ist hart; ich verstehe das auch nicht.
Jedenfalls, ich freue mich sehr, dass Sie mir Ihre Überlegungen mitgeteilt haben und werde Ihr Schreiben, wie schon das zuvor konsequenzlos im Sand verlaufene bezüglich der Räumung unseres vertraglich zugesicherten Kellerraums, ignorieren. Falls Ihr Anwalt Klage einreichen sollte (und diesem Verfahren allen Ernstes Chancen einräumt), werden wir uns wieder bei Ihnen melden, Sie uns und wir vielleicht auch Ihre Schwarzarbeiter bei der Polizei. Wir sehen uns auf der Wache und verbleibe bis dahin:
Mit kapitalistischen Grüßen
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